Dieter Henrich ist tot
Dieter Henrich: Im Wissen von sich leben
Seine Interessen lagen oft quer zu den meisten anderen Philosophen seiner Zeit. Und doch gehörte Dieter Henrich zu den wichtigsten Denkern der Gegenwart. Ein Nachruf
Von Marc Püschel
19. Dezember 2022, 10:29 Uhr 4 Kommentare
Der Philosoph Dieter Henrich, hier im Jahr 2003 in München, verstarb am Samstag im Alter von 95 Jahren. © Isolde Ohlbaum/laif
Die beste Rückschau hat er selbst geliefert. Als Dieter Henrich 2020 seine philosophische Autobiografie Ins Denken ziehen veröffentlichte, war bereits klar, dass dies Schlussstein eines ganzen Forscherlebens sein würde. Die Retrospektive erinnerte in ihrem dialogischen Aufbau und dem Titel nach an Georg Lukács’ Gelebtes Denken, doch dem Versuch haftete bei Henrich etwas Eigentümliches an. Zeitlebens hatte sich sein Schaffen um die beiden Fragen gedreht, wie philosophische Einsichten zustande kommen und was es bedeutet, dass der Mensch sein Leben im Wissen von sich selbst führen muss. Es scheint fast notwendige Konsequenz zu sein, dass Henrichs Werk mit einer Reflexion auf die Genese des eigenen Denkens endete.